Brad de Long stellt eine wichtige Frage: Warum ist diese Krise so schlimm? Wieso führen 2 Bil. Abschreibungen auf hochriskante Hypotheken zu einem Vermögensverlust von 20 Bil. weltweit? Wo ist der Unterschied zu normalen Finanzmarktkrisen? Im Folgenden versuche ich kurz seine wesentlichen Punkte darzustellen.
Vor zwei Jahren betrug das weltweite Kapitalvermögen – der Marktwert von Unternehmensanteilen und -anleihen, gut 80 Bil. US-$. Der Wert dieses Vermögens schwankt, und zwar aus diesen fünf Gründen:
- Investitionen: Investitionen in das Realkapital führen dazu, dass der Kapitalstock wächst, und damit dessen Wert zunimmt.
- Nachrichten: Gute und schlechte Nachrichte führen zu Änderungen der Erwartungen über zukünftige Cash Flows aus dem Vermögen, und damit über deren diskontierten Wert.
- Liquiditätsdiskontierung: Zukünftige Zahlungen werden gegenüber sofortigen Zahlungen diskontiert, und Schwankung in diesem Wert führen zu Schwankungen des Vermögenswertes.
- Ausfallwahrscheinlichkeit: Schwankungen in der Ausfallwahrscheinlichkeit, die ebenfalls zu einer Diskontierung des Wertes zukünftiger Zahlungsströme führt, führen ebenfalls zu Schwankungen im Vermögenswert.
- Risikoaversion: Schwankungen in der Bereitschaft, Risiko zu übernehmen führen zu Schwankungen in der Bewertung zukünftiger Zahlungsströme.
Zählt man die Verluste der Kapitalmärkte zusammen, ist in den letzten zwei Jahren das Kapitalvermögen um 20 Billionen auf 60 Billionen zurückgegangen. Als Ursachen können die ersten zwei Punkte ausgeschlossen werden, da es weder einen Einbruch in der Produktivität gab, noch außergewöhnliche Nachrichten hinsichtlich der Beschränkung der Rohstoffe oder der politischen Landschaft.
Hinsichtlich des dritten Punktes – Diskontierung der zukünftigen Cash Flows – führten die Ausfälle am Immobilienmarkt zu einer Erhöhung dieses Diskonts um 2 Billionen und die Rezession lässt weitere Ausfälle in Höhe von 4 Billionen erwarten, so dass hier ein Rückgang des Vermögenswertes um 6 Billionen angemessen erscheint. Gleichzeitig haben aber die Zentralbankinterventionen im Endeffekt zu einem Austausch dieser ausfallgefährdeter Vermögen gegen sichere Staatsanleihen und Zentralbankgeld in Höhe von 3 Billionen geführt, so dass der Effekt von Punkt 4 zu einer Reduzierung der Abschläge auf gut 3 Billionen geführt hat. Dies führt zum zentralen Punkt: Die restlichen 17 Billionen an Vermögensverlust sind demnach ausschließlich auf die gestiegene Risikoaversion zurückzuführen.
Zur Verdeutlichung: Ein Impuls in Höhe von Verlusten von 2 Billionen hat zu einer zehnmal so großen Reaktion im Wert der Vermögen geführt, wobei hier die wesentliche Ursache die gestiegene Risikoaversion ist, mit einem Effekt in Höhe von 17 Billionen. Für de Long ist dies vor allem ein wissenschaftliches Problem, da die Volkswirtschaft bisher davon ausgegangen ist, die Punkte 3 und 5 einigermaßen gut erklären zu können. In Bezug auf die Liquiditätspräferenz – also den treibenden Faktor von 3, lässt sich grob eine normale Realverzinsung berechnen: Wenn man davon ausgeht, dass die Präferenzen sich nicht wesentlich geändert haben, hängt dieser Wert einerseits von der Rate des technischen Fortschritts ab, die langfristig relativ stabil bei 2% p. a. liegt, und andererseits von der intertemporalen Substitutionselastizität des Konsums (um wieviel % muss der zukünftige Konsum steigen, damit ein Agent auf 1% Konsum heute verzichtet) – dieser liegt üblicherweise zwischen 1 und 2. Insofern sollte ein normaler Realzins bei 2-4% liegen, und die Zentralbank sollte nicht in der Lage sein, diesen dauerhaft bei -2% zu halten.
Brad de Long wundert sich auch über die Risikoprämie – nach den orthodoxen Finanzmarktmodellen sollte diese für diversifizierte Portfolios nicht mehr als 1% betragen – in normalen Zeiten liegt der Wert allerdings bei 5% und zur Zeit bei 10%. An dieser Stelle klinke ich mich aus seiner Diskussion aus, denn der von ihm genannte orthodoxe Wert ist die Folge der irrtümlichen Annahmen der orthodoxen Finanzmarktmodelle hinsichtlich des Risikos an Finanzmärkten – und es stellt sich die Frage, ob die jetzt am Markt gemessene Risikoaversion nicht einfach die Folge dessen ist, dass die Marktteilnehmer die Risiken an diesen Märkten jetzt realistisch bewerten.