Das Problem mit ZIRP? Die Zinsen sind zu hoch!

Das ist jedenfalls das Ergebnis einer Studie von Jan Hatzius bei Goldman Sachs, die Paul Krugman zitiert. Zur Erinnerung: ZIRP steht für Zero Interest Rates Policy, d. h. einer Geldpolitik, die den Leitzins auf 0 Prozent festlegt.

Für die Fed gibt es nun eine ökonometrische Beobachtung, die Taylor-Regel, die mit gutem Erfolg die wahrscheinliche Fed-Politik in Abhängigkeit von Inflation und BIP-Wachstum prognostiziert; der Taylor-Regel entsprechend wird die Fed die Zinsen erhöhen, wenn entweder das BIP über dem Produktionspotenzial liegt, oder wenn die Inflation über 2% liegt, und im umgekehrten Fall wird sie die Zinsen senken. Angewendet auf die aktuellen Daten für die USA ergibt sich folgendes Bild:

Fed-Leitzins vs. Taylor-Regel

Fed-Leitzins vs. Taylor-Regel

In Worten: Aufgrund der erwarteten Entwicklung für Inflation und BIP-Wachstum müsste die Fed ihren Leitzins bis Ende 2011 auf -6% senken. Da die Fed aber keinen negativen Zins setzen kann (in diesem Fall würden keiner Geld anlegen, sondern Bargeld halten), wirkt die Geldpolitik – auch wenn sie bei 0% angekommen ist – rezessionsverstärkend.

Liquiditätsfalle oder Investitionsfalle

weissgarnix legt sehr viel Wert darauf festzustellen, dass es sich bei der Finanzmarktkrise nicht um ein Phänomen der Liquiditätsfalle handelt, sondern um das der Investitionsfalle (hier, hier und hier). In beiden Fällen sind die Symptome ähnlich: Die Geldpolitik hat keinen Effekt mehr auf die Kreditvergabe und letztlich auf den Output, selbst wenn sie die Leitzinsen auf 0% senkt.

Allerdings unterscheiden sich die Ursachen: Bei der Liquiditätsfalle ist das Argument, dass die Zentralbank in einer Rezession die Zinsen so weit gesenkt hat, dass der nächste Schritt eigentlich nur eine Zinserhöhung sein kann, weshalb die Sparer ihr Geld in Bargeld halten, und nicht verleihen. Demgegenüber sind in einer Investitionsfalle die Ertragserwartungen so unsicher, dass die Sparer deswegen kein Geld verleihen, weil der Erwartungswert der Rendite zu niedrig geworden ist.

Man könnte jetzt natürlich einwenden, dass das Wortklauberei sei, weil der Effekt ja der Gleiche wäre. Dem ist aber nicht so, weil das „Patentrezept“ für das Herauskommen aus der Liquiditätsfalle – quantitative easing – nicht helfen kann, wenn die Ursachen die unsichereren Ertragserwartungen sind, im Wesentlichen also die Unsicherheit unter den Banken, ob ihr Geschäftspartner denn auch in der Lage sein wird, Zins und Tilgung zu bedienen. Im Grunde handelt es sich also um eine Wiederholung der Diskussion am Anfang der Krise, ob die Banken Liquiditätsprobleme oder Eigenkapitalprobleme haben, oder, wie es ja Buitler schon gefordert hat, wenn die Banken nicht wieder ihre Aufgaben übernehmen, ob diese unter staatliche Verwaltung gestellt werden müssten.

Hat die Fed die Druckerpresse angeworfen?

In letzter Zeit liest man immer häufiger, dass die Fed eine Politik des „quantitative easing“ betreibe. Traditionellerweise versteht man darunter den direkten Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank, wodurch direkt die Geldmenge erhöht wird. In der Presse wird gerade die massive Ausweitung der Fed-Bilanz um gut 100% seit Anfang September mit einer Politik des quantitative easing gleichgesetzt – wie Tim Duy schreibt, ist dies aber falsch – diese Ausweitung der Bilanz ist nur notwendig zur Finanzierung der Liquiditätsmaßnahmen der Fed, d. h. sie wirken der Geldmengensenkung durch die Verkleinerung der Bankbilanzen entgegen. Insofern wirken die Maßnahmen nur wie eine Monetarisierung der Staatsschulden, die sterilisiert wird. So lange die Fed nicht zu einer unsterilisierten Übernahme der Staatsanleihen übergeht, wird sie nicht aus der Liquiditätsfalle herauskommen – wie der Fall Japans ja hinlänglich gezeigt hat.

Nach Duy ist das Schlimmste, dass anscheinend die Mitglieder der Fed der Meinung wären, dass sie bereits einen Politikwechsel hin zu quantitative easing betrieben hätten – was darauf schließen lassen würde, dass die Fed die Wirkung ihrer Politik nicht mehr versteht.

Tim Duy weisst übrigens auch darauf hin, dass die Senkung des Leitzins auf 0% jetzt keinerlei Wirkung mehr hat, deswegen sind die Diskussionen darüber auch müßig – die Fed könnte sich also viele Überstunden sparen, indem sie den Schritt zu 0% auch gleich macht (um der öffentlichen Erwartung gerecht zu werden).

Zum Begriff quantitative easing – sorry, bin gerade zu faul, um eine gute Übersetzung zu erarbeiten (LEO gibt als 1. Näherung „Lockerung der Geldmengenpolitik“, was aber zu kurz greifen würde, da damit auch eine normale Zinssenkung oder Ausweitung der Offenmarktpolitik gemeint ist): Die japanische Zentralbank führte diesen Begriff ein um ihre Anti-Deflationspolitik in den 1990er Jahren zu beschreiben. Hierzu gehörten vor allem diese drei Maßnahmen (geklaut von Sam Jones, FT Alphaville):

1.  Eine Erhöhung der Reserven der Geschäftsbanken bei der Zentralbank um die Kreditvergabe zu stimulieren, und dadurch die Geldmenge zu steigern.

2. Aufkauf von Anleihen um den Markt mit Bargeld zu versorgen, ohne eine Sterilisation der Geldmenge vorzunehmen, mit dem Ziel, die Renditen am Geld- und Anleihemarkt zu senken.

3.Null-Prozent-Leitzins-Politik

Zur Zeit betreibt die Fed also Maßnahmen 1 und 3, wobei die Erfahrung zeigt, dass die Politik erst wirksam wird, wenn alle drei Maßnahmen zusammenkommen.

Mehr zur Liquiditätsfalle

Neulich habe ich hier einen Link  zum Guardian reingesetzt, der gefordert hat, der Westen müsste sich geldpolitisch wie ein südamerikanischer Diktator verhalten. Krugman schreibt heute, warum diese Forderung nicht von der Hand zu weisen ist: Um aus einer Liquiditätsfalle herauszukommen, muss die Zentralbank positive Inflation schaffen. Eigentlich sollte das nicht schwer sein für eine kompetente Zentralbank – wenn selbst Länder wie Simbabwe das schaffen. Das Problem hierbei ist, dass die Inflation erst dann zurückkehrt, wenn die Inflationserwartungen positiv werden. Dafür reicht es nicht, einfach die Geldmenge zu erhöhen, wenn die Verbraucher langfristig von der Zentralbank eine Geldpolitik der Geldwertstabilität erwarten. Für Japan forderte Krugman daher 1998, dass die Zentralbank glaubwürdig machen müsste, in Zukunft eine verantwortungslose Geldpolitik zu betreiben.

Bewerbung für den Titel…

„Missverständliche Überschrift des Jahres“ durch den Guardian: „We must start thinking like South American dictators“

Gavyn Davies spricht zum Glück nur von der Geldpolitik – wenn kein Geld mehr da ist, soll neues gedruckt werden.