Willkommen in Extremistan?

weissgarnix hat in seinem Blog heute eine Grafik von Mandelbrot veröffentlicht, die er sehr beeindruckend findet [Anm. 14.02.2014: Der ursprüngliche Blog existiert nicht mehr, daher hier die Grafik nachgezeichnet]:

Auf den ersten Blick sieht man einen explosiven Anstieg der täglichen Schwankungsbreite im Dow Jones Index. Und wenn man nur absolute Werte betrachtet, ist dies natürlich richtig. Intuitiv könnte man also annehmen, dass die Volatilität des Dow Jones in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat. Dies vernachlässigt aber den Grund für die Zunahme der täglichen Schwankungsbreite, nämlich den kontinuierlichen Anstieg des Dow Jones. Deshalb ist es irreführend, die Volatilität anhand der absoluten Änderung zu bewerten, man muss relative Änderungen betrachten, wie in folgender Abbildung:

In dieser Betrachtung ist dann nichts mehr von einer explosiven Veränderung der Volatilität zu sehen, vielmehr wechseln sich Phasen hoher und niedriger Volatilität fröhlich miteinander ab. Aus diesem Grund halte ich das erste Bild nicht nur für eine Verzerrung des tatsächlichen Geschehens an der Börse, sondern für eine irreführende Darstellung.

Sind wir also in Extremistan, wenn wir uns an die Börse begeben: Grundsätzlich ja, aber nicht erst seit kurzem, sondern von Anfang an.

Freikörperkultur – CDS-Ausgabe

Heute mal ein paar Artikel über Credit Default Swaps. Insbesondere die Möglichkeit, CDS zu kaufen, ohne den Basiswert (also eine Anleihe des im CDS spezifizierten Emittenten) zu besitzen (nackte CDS), wird häufig als sinnlos, zum Teil sogar gefährlich für die Finanzmarktstabilität beschrieben – siehe nakedcapitalism.com und die dort verlinkten Artikel.

FT Alphaville macht hingegen das Gegenbeispiel auf: Diejenigen, die vor allem nackte CDS gekauft haben, sind Hedgefonds, die dies lange Zeit vor Ausbruch der aktuellen Krise getan haben, in der Erwartung, dass die damals ungewöhnlich niedrigen Risikoaufschläge für südeuropäische Staatsanleihen steigen würden. Aktuell sind diese Hedgefonds vor allem Verkäufer von CDS, d. h. sie schließen ihr spekulatives Geschäft, und ermöglichen gleichzeitig Banken, die griechische Anleihen halten, ihr Risiko abzusichern. Dieses Angebot von den Spekulaten ist insofern auch gesamtwirtschaftlich sinnvoll, weil es die Liquidität auf diesem Markt erhöht.

Felix Salmon kritisiert detailliert die Artikel von Münchau und Morgenstern, die sich eindeutig gegen nackte CDS aussprechen. Vor allem bringt er zusätzliche Beispiele, dass es auch ohne spekulative Motive sinnvoll sein kann, CDS zu kaufen, ohne den Basiswert zu besitzen:

Of course, there are lots of very good fundamental reasons why people might want to buy credit protection on Greece without owning underlying bonds. Maybe you are or will be owed money by an arm of the Greek government. Maybe you have businesses in Greece, and are worried that in the event of a default you won’t be able to repatriate your profits there. Maybe you intend to enter into a contract with a Greek company who you trust and understand, but want to hedge sovereign risk which is out of that company’s control. These are not “purely speculative gambles”, they’re ways of facilitating capital flows into Greece.

Im Grunde sprechen für nackte CDS auch die Argumente, die generell für die Existenz von Derivate- und Terminmärkten vorgebracht werden: Sie ermöglichen die Absicherung von Geschäften für realwirtschaftliche Akteure, und Spekulaten sind auf diesen Märkten wertvolle Marktteilnehmer, weil sie für Liquidität sorgen, und Risiken übernehmen.

Auf Sand gebaut – Dubai-Ausgabe

Ein bißchen spät, aber hier ein Überblick der Meldungen über den Ausfall von Dubai-World, der Investmentfirma der Herrscherfamilie von Dubai. Betroffen sind bis zu 59 Mrd. US-$.

Hier die Nachricht: Dubai World bittet am Mittwoch, 25.11., die Eigentümer seiner Anleihen darum, bei ausstehenden Zahlungen bis Mai 2010 stillzuhalten. Mehr oder weniger zufällig fangen am Donnerstag, 26.11. einwöchige islamische Feiertage an, so dass die regionalen Märkte handlungsunfähig sind, und durch Thanksgiving am Donnerstag waren die US-Märkte geschlossen. Ursache für die Probleme von Dubai World sind die schwachen Immobilienmärkte im Emirat, in die großzügig investiert wurden.  Weitere Details gibt es von FT Alphaville: Noch ist allerdings offen, ob das Stillhalten freiwillig sein soll, oder erzwungen wird (womit ein Ausfall im Sinne der Kreditversicherungen existieren würde).

Ein Punkt, der bei den Anleihekäufern von Dubai World für Irrtiation sorgt ist, dass unterstellt wurde, dass eine staatliche Investmentfirma auch eine implizite Staatsgarantie hält. Anscheinend hat die Regierung aber kein besonderes Interesse an Dubai World, was auch dadurch deutlich wird, dass der Dubaier Unterstützungsfonds, der nach Ausbruch der Finanzkrise geschaffen wurde, die Erlöse aus einer Anleihemission vom Mittwoch in Höhe von 5 Mrd. US-$ nicht zur Tilgung einer Anleihe einer Dubai World Tochter nutzen wird, die im Dezember fällig wird.

Auch wenn bisher nicht die Rede davon ist, dass der Staat Dubai die staatseigene Firma Dubai World retten will, sind die CDS-Preise für Dubaier Staatsanleihen explodiert, auf einen Wert von 511 Basispunkten am Freitag morgen.

Willem Buiter empfiehlt der Dubaier Regierung, nicht für die Verluste von Dubai World einzustehen, auch wenn das Unternehmen zu 100% im Staatsbesitz ist, da es keine Staatsgarantien vor der Kreditvergabe gab.

Felix Salmon sieht es ähnlich, und ist erfreut, dass es bisher keine Anzeichen gibt, dass Dubai World von der Regierung gerettet wird, obwohl in den anderen Staatsvermögens-Fonds genügend Mittel bereitstehen.

Der amerikanische (Alp-)Traum

Eine sehr persönliche Geschichte eines Wirtschaftsredakteurs der New York Times, der in die amerikanische Schuldenfalle aus Subprime-Hypothekenkredit, Kreditkarten-Zinsen und Konsumwünschen geraten ist, obwohl er es hätte besser wissen müssen

How could a person who wrote about economics for a living fall into the kind of credit-card trap that consumer groups had warned about for years?

Überraschende Fakten der Subprime-Krise

Allgemein wird ja angenommen, dass die Subprime-Krise dadurch ausgelöst wurde, dass nicht-kreditwürdige Menschen von den Banken Hypothekenkredite angeboten bekommen haben, und dass diese Kredite dann notleidend wurden, als die Hauspreise nicht mehr gestiegen sind.
Wie der Blog rortytomb bemerkt, kommt die Fed Boston allerdings in einer Untersuchung des Immobilien-Marktes von Massachussats zu dem Schluss, dass gut 60% der notleidenden Subprime-Hypotheken ursprünglich Prime-Hypotheken waren. Anders formuliert: Über die Hälfte der Insolvenzen im Subprime-Segment – 28% aller insolventen Hypotheken – betreffen Kreditnehmer, die ursprünglich als zahlungsfähige, „normale“ Kreditnehmer eine Hypothek aufnehmen konnten, und erst im Laufe der Zeit runtergestuft wurden. Außerdem: Diese Insolvenzen sind nicht Folge des neugeschaffenen Marktes für Subprime-Hypotheken – mit der Möglichkeit, auf Subprime umzuschulden sind diese Insolvenzen nur hinausgezögert worden. Dies erklärt auch, warum zu Beginn der Krise die erwarteten Insolvenzen im Segment von Alt-A und Prime geringer als erwartet ausgefallen sind, was dann zur trügerischen Hoffnung auf eine sanfte Landung des Immobilienmarktes führte.