In einem der ersten Artikel in diesem Blog habe ich beklagt, dass es eine Krise der Kommunikation gäbe. In einer Laudatio in der FAZ erklärt Nils Minkmar, warum Steinbrück in der Krise eine so große Rolle spielt: Nicht, weil er einen Kompetenzvorsprung hätte, oder weil es sich aus seinem Amt ergeben würde, sondern weil er die richtigen Worte findet.
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Bernanke steigt in den Hubschrauber
Zur Erinnerung: Was ist eine Liquiditätsfalle? Eine Liquiditätsfalle entsteht dann, wenn die Zentralbank die Zinsen auf Null senkt, und die Banken dennoch keine Kredite vergeben. Um sich die Folgen anzusehen, muss man nur die Entwicklung Japans seit 1990 betrachten.
Nach FT Alphaville sind die USA jetzt „offiziell“ in der Liquiditätsfalle: Seit heute werden Überschussreserven der Banken nicht mehr mit einem Abschlag verzinst, sondern zur normalen Target Rate – womit sich der Interbankenmarkt noch weiter abschwächen wird. FT Alphaville sieht dies als ersten Schritt dazu, dass die Zentralbank dazu übergehen wird, die wachsende Staatsverschuldung der USA direkt zu monetarisieren. Was bedeutet dies: Bisher war die Regierung gezwungen, neue T-Bills am Markt zu verkaufen, d. h. die Geldmenge blieb stabil. Jetzt verkauft sie die T-Bills an die Zentralbank, also wächst die Geldmenge mit der steigenden Staatsverschuldung. Zur Zeit ist dass noch kein Problem, weil ja gerade der Einbruch des Interbanken-Geldmarktes deflationär wirkt.
Mehr Hintergrundinformationen gibt es bei Brad DeLong und Paul Krugman.
Und was hat das mit einem Hubschrauber zu tun? Bernanke hat in eine Rede auf das Gedankenexperiment verwiesen, dass im Falle einer Deflation die Zentralbank zur Not Bargeld aus Hubschraubern werfen könnte, um Geld unter das Volk zu bringen.
Fasten your seatbelts
Wenn man akzeptiert, dass die Transportbranche ein Frühindikator für die Konjunktur ist, dann dürften wir eine harte Landung erleben: Nach Bloomberg ist der Auftragseingang bei Volvo Trucks im vergangenen Quartal von 41.970 Stück im Vorjahresquartal auf 115 Stück zurückgegangen. In Worten: Einhundertfünfzehn! (Dank an immobilienblasen)
Eben lese ich bei SPON, dass Mercedes die Produktion für 5 Wochen einstellt, und bei den anderen Herstellern in Europa sieht es nicht viel besser aus.
Zusammen mit dem Rückgang des Baltic Dry Index von 8.500 vor drei Monaten auf gut 1.100 aktuell, zeichnet dies ein düsteres Bild für die aktuelle Wirtschaftsaktivität.
Meiner Meinung nach zeigen die Daten der letzten Woche bereits die Auswirkungen des Abbaus des Eigenkapitalhebels bei den Banken – die Bilanzsummen schmelzen zusammen, und davon ist eben nicht nur der Finanzsektor selbst betroffen, sondern auch die Realwirtschaft. Im Endergebnis steht die Politik vor zwei unattraktiven Alternativen: Nichts-tun, und die Realwirtschaft leidet unter den deflationären Ergebnissen, oder durch Staatsausgaben und Schaffung von frischem Geld den deflatinären Tendenzen entgegenwirken, mit den negativen Folgen für Staatsverschuldung, langfristige Inflation und falschen Anreizen für die Wirtschaft.
Mein Eindruck ist, dass die Finanzmärkte sich auf einem sehr wackeligen Niveau langsam stabilisieren, wie ein schneller Blick auf das Fieberthermometer zeigt: Der TED ist von 460 auf 270 Basispunkte zurückgegangen. Bei aller Gefahr für die Stabilität, scheinen doch die Rettungspakete so gewirkt zu haben, dass Vertrauen in die Märkte zurückkehrt – auch wenn die Umsetzung der Pakete, z. B. in Deutschland, noch sehr holprig vor sich geht.
Nächste Aufgabe der Politik muss es also sein, das Vertrauen der Verbraucher und der Realwirtschaft insgesamt wieder zu stabilisieren – bei aller Vorsicht vor der Wirksamkeit von fiskalischer Stabilisierungspolitik, wird man nicht darum herumkommen, die Staatsausgaben direkt zu erhöhen – möglichst mit einmaligen Maßnahmen, die dennoch langfristige Erträge bringen. Beispiele wären hier Förderung von Forschung- und Entwicklung, Sanierung von Universitäten und Schulen und der Infrastruktur. Wichtig ist hierbei, dass die Stimulierung direkt umgesetzt wird, und nicht durch Senkung der Steuersätze: Dies kommt nur den mitteleren und hohen Einkommen zugute, und führt nur zu einer Erhöhung der Sparquote, also nicht zu einer direkten Ankurbelung der Wirtschaftsaktivität.
Learning by DOING
Das EZB-Präsidiumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi hat in einer Rede vor Unternehmern und Geschäftsführern in Mailand ein paar wichtige Argumente vorgetragen, die zeigen, dass es aus politischen Gründen schwer zu vertreten gewesen wäre, Lehman Brothers zu retten, weil dies von den Wählern als Verstoß gegen das Fairness-Prinzip angesehen worden wäre, obwohl die Entscheidung (nach Smaghi in vorhersehbarer Weise) gegen die Interessen der Wähler verstoßen hat. Hieraus folgt, dass…
There is a risk that a mistake, such as letting a bank fail, must first be committed, and the prospect of widespread hardship must make people realise that their vital interests are at stake, before effective action can be taken successfully.
Eine der Konsequenzen dieses Problems sei demnach,
In a market economy, maximising profits and shareholders’ interests are a priority for management. They permit the efficient allocation of resources within the economy. However, when a sector such as the financial sector is of systemic importance to the functioning of the economy and is prone to instability, the objective function must be broader. It is a problem of rules, incentives and individual responsibility.
(Zitate von FT Alphaville, die Rede selbst leitet das Ergebnis theoretisch aus den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie ab)
Noch meine 2 ct dazu: Wie die öffentliche Diskussion zeigt, wird die Stabilität des Finanzsystems in sehr viel stärkerem Ausmaß als öffentliches Gut wahrgenommen, das nicht in ausreichendem Ausmaß vom privaten Sektor bereitgestellt wird. Wenn dem so ist, wird es wohl über kurz oder lang zu staatlichen Eingriffen kommen (müssen), um diese Stabilität sicherzustellen. Das Problem dürfte sein, dass die Grundlage dieses öffentlichen Gutes das Vertrauen der Marktteilnehmer darin ist, dass das System stabil bleibt, und wie kann der Staat dieses Vertrauen sicherstellen? Zur Zeit versucht er dies mit umfangreichen Garantien für die Privatbanken und Eigenkapitalzuschüsse. Langfristig führt dies natürlich zu den Moral Hazard-Problemen, die die aktuelle Krise mit verursacht haben, es stellt sich also die Frage, wie der Staat Moral Hazard verhindern kann, ohne Eigentümer zu werden.
Eine radikale Lösung wäre natürlich, dass man „too big to fail“ dadurch umgeht, dass man die einzelnen Banken so weit verkleinert, dass der Ausfall einer einzelnen Bank nicht zum Zusammenbruch des Systems führt, aber das wird wohl schwer umzusetzen sein.
Geldmarkt taut nur sehr langsam auf
Auch wenn die Kursbewegungen an den Börsen die meiste Aufmerksamkeit in den Medien bekommen, so findet die richtige Krise doch am Geldmarkt statt, also am Markt für kurzfristige Kredite. Der Leitzins hierfür ist der LIBOR (London Interbank Offered Rate), der zur Zeit einen Abstand zu den Renditen kurzfristiger Staatsanleihen von gut 400 Basispunkten hat (d. h. 4 Prozentpunkte). Nick Gogerty hat einmal grob durchgerechnet, welche Kosten für die Wirtschaft aufgrund des erhöhten LIBOR bisher entstanden sind: Ungefähr 730 Mrd. $.
Das Bemerkenswerte an dieser Entwicklung ist, dass dieser Spread entstehen konnte, obwohl die Zentralbanken die Geldmärkte mit Liquidität überfluten, nach FT Alphaville mit mehreren Billionen US-$. Meiner Meinung nach ist dies aber auch einer der Gründe dafür, dass der Interbankenmarkt nicht wieder anspringt, weil die Banken auf der Nachfrageseite sich zu günstigeren Konditionen bei der Zentralbank refinanzieren können. Dies wird auch noch so lange der Fall sein, bis wieder genug Vertrauen im Markt entstanden ist, dass die Gegenparteien nicht plötzlich doch ausfallen.
Wie ich bereits hier geschrieben habe, wäre eine Lösung für dieses Problem, wenn die Zentralbank als Clearinghouse die zentrale Gegenpartei im Internbankenmarkt sein würde. Willem Buiter hat diese Idee weiter ausgeführt.