Leerverkäufe waren Ursache für den Run auf Morgan Stanley

Wie sich der eine oder andere noch erinnert, sind Mitte September 2008 alle Investmentbanken unter großen Druck geraten. Für Morgan Stanley lässt sich dieser Druck relativ leicht auf Leerverkäufe zurückführen – nur anders als man erwarten sollte: Es waren nicht Leerverkäufe von Morgan Stanley-Aktien die zum Run führten, sondern die Forderung Morgan Stanleys, Leerverkäufe von Finanztiteln zu verbieten. Nun sollte man nicht vergessen, dass die größten Kunden von Morgan Stanley die Hedgefonds sind, deren Geschäftsmodell darauf angewiesen ist, Leerverkäufe tätigen zu können. Insofern hat hier Morgan Stanley die Hände gebissen, die es bisher gefüttert hatten – und die Hände wurden dann schnell zurückgezogen. Zum Beispiel berichtete das Wall Street Journal:

“It’s one thing to complain, but another to put out a memo blaming your clients,” says Mr. Chanos, who adds that the development all but ended a more-than-20-year relationship with Morgan Stanley.

Binnen Tagen zogen Insgesamt drei Viertel der 1.100 Hedgefonds-Kunden ihre Mittel teilweise oder ganz aus Morgan Stanley ab – genug, um die Bank tatsächlich in Schwierigkeiten zu bringen. Mehr Details gibt es bei FT Alphaville.

Bernanke setzt WMD ein.

Als Weapon of Mass Desperation bezeichnet Wolfgang Münchau die Politik des quantitative easing, die er zur Zeit bei der Fed beobachtet (ob die Fed-Politik wirklich quantitative easing im eigenlichen Sinne ist, wurde hier schon diskutiert). Diesen Schluss zieht er jedenfalls aus dem Umstand, dass die Fed sich offensichtlich nicht mehr um die Fed Funds Rate kümmert (andere Autoren kommen zum Schluss, dass die Fed keinen Einfluss mehr auf diesen Zins hat, welches der Zins ist, zu dem Banken sich Geld untereinander leihen, um ihre Salden im Rahmen der Mindestreserveverpflichtungen bei der Zentralbank auszugleichen).

Wie dem auch sei, in jedem Fall kann kein Zweifel bestehen, dass die Fed zur Zeit um jeden Preis eine Deflation verhindern will. Nach Münchau kann man dass so interpretieren, dass die Fed das verhindern will, was in der Statistik ein Typ-1-Fehler genannt wird – die Ablehnung einer Hypothese, obwohl sie zutrifft. Dadurch steigt allerdings die Gefahr, einen Typ-2-Fehler zu begehen – die Annahme einer Hypothese, obwohl sie falsch ist. In diesem Fall wäre dass also eine Anti-Deflationspolitik, obwohl keine Deflation zu erwarten wäre.

Münschaus Schluss ist, dass es falsch wäre, in dieser Situation nur eine einzige mögliche Gefahr zu sehen, da zur Zeit zwei verschiedene Depressionsszenarien möglich seien – das eine Szenario geht von der Deflations-Ursache aus, die sich ergibt, wenn weitere Banken zusammenbrechen, und die Kreditvergabe weiter eingeschränkt wird. Das andere Szenario geht von einer Entspannung auf den Geldmärkten aus, die dann nach einer kurzen Rezession aufgrund der hohen im Markt befindlichen Liquidität zu neuen Blasen an den Anlage- und Rohstoffmärkten führen würde, zu einer Ausweitung der Inflation und schließlich zu einer Währungskrise der USA.

Euroland ist abgebrannt

Keine Gute-Nacht-Geschichte: Der Markit-Euroland-Einkaufsmanagerindex ist im November zusammengebrochen, um 4 Punkte auf 39,7 Punkte. Auslöser war dabei ein Rückgang der Erwartungen des verarbeitenden Gewerbes von 42,9 auf 36,2 Punkte. Die Analyse von Deka-Volkswirt Sebastian Wanke bringt es auf folgenden Punkt:

Eine Aufzählung der schlechten Nachrichten vorzunehmen, würde vermutlich die Geduld des Lesers überstrapazieren.

Es ziehen schwarze Wolken auf, und in der kommenden Böenwalze dürfte manches zu Bruch gehen – die Erfolge bei der Senkung von Budgetdefizit und Arbeitslosenquote zum Beispiel. Und der Umstand, dass nächstes Jahr Bundestagswahl ist, dürfte einer rationalen Wirtschaftspolitik auch nicht dienlich sein.

Anleihemärkte erwarten Deflation

Innerhalb der letzten 1-2 Monate hat sich eine interessante – und bedenkliche Entwicklung an den Anleihmärkten ergeben: Während die Differenz in der Rendite von normalen Treasury Bonds und inflationsindizierte T-Bonds über die letzten Jahre relativ konstant bei 2% lag, hat sich die Differenz umgekehrt, und die inflationsindizierten T-Bonds liegen 1% über den normalen T-Bonds.

Die Verbindung zwischen diesen beiden Anleihen ist relativ einfach: Im Gleichgewicht entspricht die Rendite der normalen T-Bonds der Summe der Rendite der indizierten T-Bonds und den Erwartungen der Marktteilnehmer für die durchschnittliche Inflation über die Laufzeit der Anleihe. Dementsprechend kann man davon ausgehen, dass der Markt, nachdem er die letzten Jahre relativ stabil von 2% Inflation p.a. ausgegangen ist, jetzt 1% Deflation erwartet.

Würde man nur den Spread betrachten, könnte man natürlich auf die Idee kommen, dass einfach der liquidere Markt für normale T-Bonds sich stärker bewegt hat, aber dann hätten beide Zeitreihen in die gleiche Richtung gehen müssen, vor allem hätte es keine entgegengesetzte Bewegung der indizierten Bonds geben dürfen.

Hat die Fed die Druckerpresse angeworfen?

In letzter Zeit liest man immer häufiger, dass die Fed eine Politik des „quantitative easing“ betreibe. Traditionellerweise versteht man darunter den direkten Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank, wodurch direkt die Geldmenge erhöht wird. In der Presse wird gerade die massive Ausweitung der Fed-Bilanz um gut 100% seit Anfang September mit einer Politik des quantitative easing gleichgesetzt – wie Tim Duy schreibt, ist dies aber falsch – diese Ausweitung der Bilanz ist nur notwendig zur Finanzierung der Liquiditätsmaßnahmen der Fed, d. h. sie wirken der Geldmengensenkung durch die Verkleinerung der Bankbilanzen entgegen. Insofern wirken die Maßnahmen nur wie eine Monetarisierung der Staatsschulden, die sterilisiert wird. So lange die Fed nicht zu einer unsterilisierten Übernahme der Staatsanleihen übergeht, wird sie nicht aus der Liquiditätsfalle herauskommen – wie der Fall Japans ja hinlänglich gezeigt hat.

Nach Duy ist das Schlimmste, dass anscheinend die Mitglieder der Fed der Meinung wären, dass sie bereits einen Politikwechsel hin zu quantitative easing betrieben hätten – was darauf schließen lassen würde, dass die Fed die Wirkung ihrer Politik nicht mehr versteht.

Tim Duy weisst übrigens auch darauf hin, dass die Senkung des Leitzins auf 0% jetzt keinerlei Wirkung mehr hat, deswegen sind die Diskussionen darüber auch müßig – die Fed könnte sich also viele Überstunden sparen, indem sie den Schritt zu 0% auch gleich macht (um der öffentlichen Erwartung gerecht zu werden).

Zum Begriff quantitative easing – sorry, bin gerade zu faul, um eine gute Übersetzung zu erarbeiten (LEO gibt als 1. Näherung „Lockerung der Geldmengenpolitik“, was aber zu kurz greifen würde, da damit auch eine normale Zinssenkung oder Ausweitung der Offenmarktpolitik gemeint ist): Die japanische Zentralbank führte diesen Begriff ein um ihre Anti-Deflationspolitik in den 1990er Jahren zu beschreiben. Hierzu gehörten vor allem diese drei Maßnahmen (geklaut von Sam Jones, FT Alphaville):

1.  Eine Erhöhung der Reserven der Geschäftsbanken bei der Zentralbank um die Kreditvergabe zu stimulieren, und dadurch die Geldmenge zu steigern.

2. Aufkauf von Anleihen um den Markt mit Bargeld zu versorgen, ohne eine Sterilisation der Geldmenge vorzunehmen, mit dem Ziel, die Renditen am Geld- und Anleihemarkt zu senken.

3.Null-Prozent-Leitzins-Politik

Zur Zeit betreibt die Fed also Maßnahmen 1 und 3, wobei die Erfahrung zeigt, dass die Politik erst wirksam wird, wenn alle drei Maßnahmen zusammenkommen.